Wie fast überall in Deutschland warten auch im Erzgebirge Freizeit- und Amateurreiter auf den ersten Turnierstart in diesem Jahr. Ist die Saison noch zu retten?
Jens Tappert (59): Das kommt darauf an. Wenn es bei der Turniersperre bis Mitte Mai bleibt, dann ja. Wird sie verlängert, dann sehe ich schwarz, auch was unsere Kinder- und Jugendspiele im Juni sowie die Erzgebirgs-Kreismeisterschaften in Dorfchemnitz im Juli betrifft. Dann solche Turniere schüttelt man nicht aus dem Ärmel, sie bedürfen einer langen vorherigen Planung. Keine Rettung mehr gibt es im Übrigen für die diesjährige Kreismeisterschaft im Fahren, die für den Mai im Kalender stand. Sie wurde abgesagt.
Für die Vereine sind die Planungen wegen der Corona-Schutzmaßnahmen mit erhöhtem organisatorischem Aufwand verbunden. Ohne Zuschauer fehlen zudem Einnahmen. Warum sollte sich ein Verein darauf einlassen?
Das hat mehrere Gründe. Einmal natürlich sportliche – nämlich die Überprüfung des eigenen Leistungsstandes sowie dem des Pferdes. Zudem ist die Organisation von Turnieren praktiziertes Vereinsleben – alle sind eingebunden, so etwas schafft Gemeinschaftsgefühl. Und schließlich sind die Turniere auch das Prestige des Vereins, sie haben in der Regel eine langjährige Tradition, die es aufrechtzuerhalten gilt. Allerdings: Eine Kosten-Nutzen-Rechnung muss jeder Verein selbst aufmachen, wenn er dergleichen auf die Beine stellen will.
Wie schätzen Sie die allgemeine Stimmung bei den Pferdesport-Vereinen im Erzgebirge ein?
Nicht gut, was wenig überraschend ist. Man will sich sportlich messen, doch das geht nicht. Training ist auch kaum möglich. Es ist keinem zu vermitteln, dass Berufsreiter ihre Sportart ausüben dürfen, Kinder und Amateure aber nicht. Das muss sich schnell ändern.
Wie groß ist die Gefahr sich, beim Reiten mit dem Coronavirus zu infizieren?
Äußerst gering. Im Freien sowieso, aber auch in Reithallen, die gut belüftet sind, ist das Infektionsrisiko nicht erhöht.
Welche Auswirkungen hat die Zwangspause auf die Pferde?
Wenn ein Pferd an tägliches Training gewöhnt ist, ist es schwierig, quasi auf null herunterzufahren. Die Tiere müssen auf jeden Fall regelmäßig bewegt werden, mindestens zwei- bis dreimal pro Woche.
Stichwort Training: Was ist aktuell erlaubt, was nicht?
Nach den Öffnungen Anfang April durften jeweils zwei Reiter mit Trainer auf den Reitplätzen der Vereine trainieren. Die von der Bundesregierung beschlossene Notbremse hat das aber wieder zunichte gemacht. Im Moment ist Training auf den Vereinsanlagen überhaupt nicht möglich. Was geht, sind Ausritte ins Gelände. Aller-dings nur zu zweit, wegen des Unfallrisikos.
Viele Vereine besitzen auch Schulpferde und geben Reitunterricht. Laut Landesverband Pferdesport ist die Hälfte der Vereine und Betriebe mit entsprechenden Angeboten in ihrer Existenz bedroht. Teilen Sie diese Einschätzung?
Uneingeschränkt. Ich würde sogar sagen, die Situation ist noch dramatischer. Die Vereine und Betriebe leben von Pferde-Einstellern und vom Reitbetrieb beziehungsweise Reitunterricht. Dieser darf aber nicht stattfinden, was finanziell große Löcher reißt – denn die Kosten für die Versorgung der Pferde laufen ja weiter. Sollte die Situation bis zum Jahresende anhalten, dürften das die wenigsten Betriebe überleben.
Welche Hilfsmöglichkeiten gibt es?
Daran wird noch gearbeitet. Die bisher vorhandenen staatlichen Angebote in Form von Sofort- oder Überbrückungshilfe sind nicht auf den Pferdesport zugeschnitten, die Förderkriterien daher oft kaum nachvollziehbar. Viele zögern mit Anträgen, weil sie befürchten, das Geld zurückzahlen zu müssen, wenn irgendetwas nicht passt.
Vor Ostern hat sich von Spanien aus die Pferde-Herpes in Europa ausgebreitet. Auch in Deutschland, konkret in Baden-Württemberg, gab es Todesfälle. Eine reale Gefahr, auch für das Erzgebirge?
Aus meiner Sicht ist das kein akutes Thema, mir ist auch kein entsprechender Fall im Erzgebirge bekannt. Wachsamkeit ist dennoch geboten. Bislang gibt es in Sachen Pferde-Herpes weder eine Melde- noch eine Impfflicht. Ich bin überzeugt davon, dass sich dies im kommenden Jahr ändern wird.
Vorsitzender des Pferdesportkreisverbandes Erzgebirge
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